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Artikel Faire Mobilität_ Das LkSG wirkt (02/25) Download PDF
Februar 2025
LKW-Fahrer arbeiten oft zu skandalösen Bedingungen in Subunternehmerketten. Das LkSG kann helfen, ihre Rechte geltend zu machen – das zeigen zwei Beispiele.
Vor knapp zwei Jahren, im Frühjahr 2023, machten die Arbeitsbedingungen im internationalen Straßentransport Schlagzeilen. Auf einer Autobahnraststätte im hessischen Gräfenhausen hatten mehrere Dutzend vornehmlich georgische und usbekische Fahrer ihre LKW abgestellt, um von ihrem polnischen Transportunternehmer nicht gezahlte Gelder einzufordern. Geladen hatten sie Waren großer deutscher Unternehmen und Speditionen, in deren Auftrag der polnische Transportunternehmer sie durch Europa fahren ließ. Während der wochenlangen Proteste der Fahrer wurde viel über die drastische Ausbeutung, menschenunwürdige Zustände in den Fahrerkabinen und undurchsichtige Subunternehmerketten, die diese Verhältnisse ermöglichen, berichtet. Inzwischen ist das Thema wieder aus den Nachrichten verschwunden. An den Arbeitsbedingungen hat sich wenig geändert, wie zwei Fälle aus der Beratungspraxis von Faire Mobilität zeigen – allerdings gibt es einen neuen Hebel, der es Fahrern erleichtern kann, ihre Rechte geltend zu machen.
Das zeigt etwa der Fall eines georgisches LKW-Fahrers, der im Juni 2023 mit den Nerven am Ende ist: Seit Monaten hat er Waren unterschiedlicher Auftraggeber – meist große deutsche Unternehmen – durch Deutschland und angrenzende Länder transportiert, mindestens vier Monate lang jede Nacht im LKW geschlafen. Immer wieder hatte das Fahrzeug Auffälligkeiten gezeigt, nun schert es beim Fahren aus, und die Bremsen funktionieren nicht richtig. Seine Firma weist ihn wie schon in früheren Fällen an, dennoch weiterzufahren, aber der Fahrer ignoriert die Anweisung. Er befindet sich in einer psychischen Ausnahmesituation und denkt laut darüber nach, das Fahrzeug anzuzünden. Schließlich wendet er sich an einen ver.di-Kraftfahrerkreis, der ihn an einen Berater von Faire Mobilität weitervermittelt.
Eine lange Kette von Auftraggebern und undurchsichtige Lohnabrechnungen
Der Fahrer, der auch über unvollständige Lohnzahlungen klagt, ist in einer misslichen Lage. Bei der deutschen Transportfirma, deren Anhänger er zieht und von der alle Anweisungen kommen, ist er nicht angestellt. Ein Beschäftigungsverhältnis besteht mit einer polnischen Firma, die vom Besitzer der deutschen Firma gegründet wurde und die, anders als die deutsche Firma, Fahrer aus Drittstaaten – neben Georgien auch aus der Ukraine und anderen Ländern – beschäftigen kann. Zum Sitz seines eigentlichen Arbeitgebers in Polen war der Fahrer nur ein einziges Mal gefahren, um eine Zugmaschine in eine Werkstatt zu bringen. Geld erhielt er am Sitz der deutschen Firma, bar, ohne Quittung und ihm zufolge deutlich weniger, als ursprünglich versprochen worden war. Da er ausschließlich innerhalb Deutschlands arbeitete, hätte ihm der deutsche Mindestlohn zugestanden, laut Arbeitsvertrag sollte er aber lediglich den polnischen Medianlohn für LKW-Fahrer erhalten. Wie oder ob die Differenz zum deutschen Mindestlohn beglichen wird, war aus den undurchsichtigen Lohnabrechnungen nicht zu erkennen.
Da der Fahrer aufgrund seines psychischen Zustandes nicht in der Lage war zu fahren, riet Michael Wahl, Berater von Faire Mobilität, ihm, sich arbeitsunfähig zu melden, und nahm Kontakt zu der deutschen Transportfirma auf. Der Fahrer informierte außerdem die Polizei über die Mängel am Fahrzeug und ließ es zur nächsten Werkstatt abschleppen.
Die Verhandlungen mit dem deutschen Transportunternehmen verliefen zunächst ergebnislos. Es schob die Verantwortung der polnischen Firma zu. Das änderte sich erst, als Wahl und der Fahrer sich an den größten Auftraggeber wandten, der sich aus den Frachtbriefen erkennen ließ, eine große Baumarktkette. „Tatsächlich meldete sich daraufhin der Menschenrechtsbeauftragte dieser Baumarktkette und sicherte Mithilfe bei der Aufklärung zu“, berichtet Wahl.
Als Auftraggeber aus einer anderen Branche ist der Baumarkt nicht Generalunternehmer und somit nicht für den Mindestlohn haftbar, aber durch das seit 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) trotzdem mitverantwortlich für die Arbeitsbedingungen bei seinen Subunternehmen.
"Über die Sorgfaltspflicht kann man auch Unternehmen auf ihre Verantwortung ansprechen, die nicht direkt für die Löhne haften, sondern diese neue Sorgfaltspflicht für ihre Lieferkette haben."
so Wahl. Diese Konstellation brachte schließlich den Durchbruch, am Ende erhielt der Fahrer 2.000 Euro, einen Teil der von ihm geforderten Summe. Auch Übernachtungskosten für ein Hotel, in dem er in der Zeit geschlafen hatte, als der LKW repariert wurde, erstattete der Arbeitgeber und zahlte damit das erste Mal für eine Übernachtung außerhalb der Fahrerkabine.
LkSG hat Verhandlungsposition für LKW-Fahrer verbessert
Wahl betont, dass das LkSG die Verhandlungsposition für den Fahrer deutlich verbessert habe. „Wir hatten plötzlich eine Gesprächssituation, die es bisher nicht gab, nämlich zwischen dem Arbeitnehmer, dem Besitzer der deutschen Firma und dem Menschenrechtsbeauftragten des Auftraggebers, der als Mittler agierte. Das hat letztlich dazu geführt, dass dieser Fall im Sinne des Fahrers gelöst werden konnte.“
Eine ähnliche Erfahrung machte Anna Weirich, wie Michael Wahl Beraterin und Koordinatorin für den Straßentransport für Faire Mobilität. Sie beriet im Spätsommer 2024 einen LKW-Fahrer aus einem Drittstaat, einen jungen Mann aus einem zentralasiatischen Land, der für eine kleine deutsche Transportfirma im Auftrag großer Speditionen Waren innerhalb Deutschlands fuhr. Eine Arbeitserlaubnis hatte er nicht, was der Fahrer jedoch nicht wusste, da ihm bei der Rekrutierung versichert worden war, seine Aufenthaltsberechtigung in einem anderen EU-Land sei ausreichend. Der Lohn wurde dem Mann meist bar ausgezahlt, die letzten vier Löhne hatte er gar nicht bekommen, als er Kontakt zu Faire Mobilität aufnahm.
In dem Jahr, in dem er für die Firma gearbeitet hatte, war er Transporte im Auftrag dreier großer Speditionen gefahren, wie aus den Frachtbriefen hervorging. Für zwei dieser Speditionen war dies auch der Fall in den vier Monaten, für die er nicht entlohnt worden war. Als Generalunternehmer waren sie für die korrekte Entlohnung des Fahrers bei „ihren“ Fahren haftbar. Weirich nahm Kontakt zu beiden Speditionen auf und erreichte bei einer, dass sie den Fahrer für die Fahrten in ihrem Auftrag entschädigte. Die zweite Spedition lehnte einen Ausgleich ab.
Frachtpapiere führen zu den verantwortlichen Unternehmen
Auch in diesem Fall half ein Blick in die Frachtpapiere weiter, in denen die Kunden der Spedition – oder von deren Auftraggebern – aufgeführt sind: große Einzelhandelsketten, Lebensmittelhersteller, Produzenten von Autoteilen oder medizinischem Bedarf, ein bekannter Inneneinrichter, vielfach Firmen mit über 1.000 Beschäftigten in Deutschland, die also unter das LkSG fallen. Bei diesen Kunden legte der Fahrer Beschwerde ein. Es dauerte nicht lang, bis die Spedition sich meldete und ihn für den entgangenen Lohn entschädigte.
Auch Weirich berichtet, dass mehrere der angeschriebenen Firmen zusicherten, sich für die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten bei ihren Auftragnehmern, den Speditionen, einzusetzen. Allerdings hätten diese Firmen zugleich betont, dass die Speditionen bereits Mechanismen eingerichtet hätten, um Missstände aufzudecken, und dabei nichts Auffälliges zutage gekommen sei. „Die Einhaltung der Pflichten kann also auch bedeuten, dass Papiere produziert wird, auf die man sich dann berufen kann, dass sich also vor allem die Umgehungsmechanismen verändern“, so Weirich. „Zustände wie in dem besagten Unternehmen sind ja keine Ausnahmen, das sind die üblichen Arbeitsbedingungen in der Branche. Da braucht es schon mehr als Compliance-Berichte, um an der Ausbeutung etwas zu ändern.“
Dennoch zeigen die Fälle: Das von Wirtschaftsverbänden und Bundesregierung als „Bürokratiemonster“ gescholtene LkSG, ist in der Beratungsarbeit eine zusätzliche Hilfe, um die Rechte von Fahrern durchzusetzen. Es ist ein wirksamer Ansatz, um auch die Kunden der Transportfirmen, die ihr Geschäft auf drastischer Ausbeutung gründen, in die Verantwortung zu nehmen.